Islands of Utopia

Reclaim the Water!

Immer wieder haben sich Freigeister, Rebellen und Künstler aufs Wasser begeben, um dort nach neuen Möglichkeiten und Ausdrucksmitteln zu suchen, die sie an Land so nicht finden konnten oder die ihnen dort aufgrund von Besitzverhältnissen oder Gesetzeslagen verwehrt worden sind. Oft sind es Sub- und Gegenkulturen, die sich angesichts veränderter Lebensumstände auf die Suche nach neuen Freiräumen und Möglichkeiten machen und damit wichtige und innovative Impulse liefern.

Der zunehmende Platzmangel bei gleichzeitiger Teuerung und das Verschwinden von Freiräumen in den Städten hat die Wahrnehmung befördert, dass auch die Gewässer als öffentlicher Raum zu begreifen sind und somit eine Option auf Erweiterung des Lebensbereichs darstellen. Forderte der französische Soziologe Henri Lefebvre 1968 in seinem gleichnamigen Buch das »Recht auf Stadt«, so heißt es heute auch »Reclaim the Water«.

Swimming Cities – Fotos von Tod Seelie

Die »Swimming Cities of Switchback Sea« sind phantastisch anmutende, skulpturale Flöße, die die Künstlerin Swoon gemeinsam mit fast 70 Mitstreitern konstruiert hat. Hauptsächlich aus ausrangiertem Material des letzten Baubooms in Manhattan entstanden, sind sie Kunstwerke wie auch temporärer Lebensraum der Beteiligten. 2008 fahren sie mit den »Swimming Cities« von Troy New York den Hudson River herunter, passieren Manhattan und legen in Long Island City an. 

2009 rekonstruiert die Crew in Slowenien zwei der Flöße dieser Reise und baut ein drittes aus Fundstücken, um von der slowenischen Stadt Koper über das Adriatische Meer nach Venedig zu fahren und dort die Biennale zu entern. Die letzte Fahrt der »Swimming Cities of Serenissima« ist – trotz Verboten – eine nächtliche Reise durch Venedigs Canal Grande – während die Klänge der live auf einem der Flöße spielenden Band von den ehrwürdigen Mauern der Stadt widerhallen.

Sausalito Houseboats – Fotos von Nicole Strasser

Sausalito ist ein ehemaliges Fischerdorf im Norden der San Francisco Bay. Bereits in den 50er Jahren entsteht hier eine Hausbootgemeinschaft, deren phantasievolle und oft improvisierte Behausungen von Künstlern, Musikern, Schriftstellern und anderen Querdenkern bewohnt werden. Auf dem Wasser können sie in Freiheit und günstig leben – bis Anfang der 70er Jahre ein Bauprojekt geplant wird, dem die Hausboote weichen sollen. Es folgt, was als »Hausbootkrieg« in die Geschichte des Ortes eingeht. Die Auseinandersetzung zieht sich über Jahre, aber die Hausbootbewohner wiedersetzen sich der Verdrängung aus der Bucht. Zu den Künstlern von einst haben sich heute Ärzte, Piloten und Manager gesellt, doch die Nachbarschaft funktioniert, man kümmert sich umeinander, respektiert und hilft sich. 

Draußen in der Bucht liegen die »Anchor Outs«. Ihre Zahl wächst ständig, hier, an einem der teuersten Orte Kaliforniens, an dem sich immer mehr Menschen ihre Mieten nicht mehr leisten können.

Rummelsburger Bucht – Fotos von Saskia Uppenkamp

Die Rummelsburger Bucht ist einer der letzten großen Freiräume Berlins. Der See, gleichzeitig Bundeswasserstraße, grenzt an die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg. Freigeister zieht es in die mitten in der Stadt gelegene Oase. Sie ankern dort dauerhaft mit ihren Booten und selbstgebauten Flößen oder nutzen den See als Sommerresidenz. 

Auch Investoren haben das Potenzial der Rummelsburger Bucht erkannt. Am Westufer sollen ein Aquarium, Eigentumswohnungen und ein Hotel entstehen. Nach mehr als zehn Jahren der Planung wurde dies im Frühjahr 2019 mit der Verabschiedung des Bebauungsplans Ostkreuz besiegelt, der massive Widerstand seitens der BerlinerInnen blieb unbeachtet. Im Juli erging auf der Friedrichshainer Seite der Bucht ein Festmachverbot. Das vom Berliner Senat beantragte Ankerverbot wurde allerdings vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt abgelehnt. Boote dürfen weiterhin gebührenfrei auf dem Wasser ankern. Ein kleiner Etappensieg für die WasserbewohnerInnen.

Flussbad Berlin

Das Projekt »Flussbad Berlin« beschäftigt sich mit der Umwandlung und Nutzung des Spreekanals in Berlin-Mitte. Es geht bei diesem Projekt ebenso um die Säuberung des Flusses wie um die Schaffung eines Zugangs für die Menschen zum Wasser. Im Herzen der Hauptstadt, zwischen Humboldt-Forum und Bode-Museum, soll der Kanal zu einem öffentlichen Ort werden. Gesäubertes Wasser soll die EinwohnerInnen und BesucherInnen der Stadt entlang der Museumsinsel zum Schwimmen einladen. Im Oberlauf soll das Flusswasser natürlich gereinigt werden und der Spreekanal in eine ökologische Wasserlandschaft verwandelt werden. 

Zunächst als charmante, aber unrealistische Idee abgetan, ist die Projektidee der Brüder, Künstler und Architekten Jan und Tim Edler heute eines der spannendsten Vorhaben der Berliner Stadtgesellschaft.

Die Ausstellung zeigt darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Themen wie Piratenradios im London der 60er, das Kunstraumschiff MS Stubnitz, Shivering Sands, die künstliche schwimmende Insel Plastic Islands, das Urban Gardening Project »Swale« uva.

Fotografen

↣ Tod Seelie

lebt nach vielen Jahren in New York heute in Los Angeles. Über seine Arbeit sagt er: »I tend to just shoot my life, where I am and what I’m up to. So I am immersed in these events, but it is often because I am part of the group or project.«

↣ Nicole Strasser

hat während der Arbeit an dieser Fotostrecke auf einem der Boote am Maindock 4 gewohnt. Ganz besonders bemerkenswert fand sie in dieser kleinen Community den besonderen Zusammenhalt ihrer Bewohner.

↣ Saskia Uppenkamp

hat sich als Fotografin auf Portraits und Reportagen spezialisiert. Die Strecke »Rummelsburger Bucht« legt gleichzeitig Zeugnis ab über den Kampf um einen der letzten großen Freiräume Berlins.

Projekte Berlin

↣ Flussbad Berlin

Schwimmen vor historischer Kulisse mitten in Berlin – das könnte dank dieser Initiative schon bald Wirklichkeit sein. Man kann sich auf vielfältige Art für die Realisierung dieser Idee einsetzen.

↣ Moving Camera

ist eine gemeinnützige Organisation, die Kindern Kreativität durch Kunst und Fotografie beibringt. Dazu dient das selbstgebaute Boot in Form einer überdimensionalen Lochkamera.

↣ Spree:publik

Die Spree:publik versteht sich als Förderkreis von Initiativen, Kollektiven, Vereinen und anderen Aktiven, die sich für die Demokratisierung der Wasser- und Uferflächen Berlins einsetzen.

Partner und Kooperationen

Haus der Statistik

Die Ausstellung hat als Pioniernutzung im Modellprojekt Haus der Statistik am Alexanderplatz Berlin stattgefunden.

Partner und Sponsoren

Die Realisierung der Ausstellung erfolgte mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Partnern und Sponsoren.